Erbschein


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Möchte der Erbe nach dem Tod des Erblassers den Nachlass abwickeln, muss er sein Erbrecht nachweisen. Üblicherweise wird der Nachweis durch einen erteilten Erbschein erbracht.

 

Erbscheinsantrag

Um einen Erbschein zu erhalten, muss der Erbe einen Antrag an das zuständige Nachlassgericht stellen. Das Nachlassgericht ist sachlich beim örtlich zuständigen Amtsgericht angesiedelt. Grundsätzlich ist das Nachlassgericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers örtlich zuständig. Der Antrag kann entweder zu Protokoll der Geschäftstelle des Nachlassgerichts oder durch bloßen schriftlichen Antrag des Erben gestellt werden. Der Antrag muss stets den oder die Erben benennen, weil das Nachlassgericht dem Antrag entweder entsprechen oder ihn zurückweisen kann.

 

Hat der Erblasser ein privatschriftliches Testament errichtet, ist derjenige, der das Testament findet, nach dem Tod des Erblassers verpflichtet, es beim Nachlassgericht abzugeben. Das Testament muss spätestens mit Antragstellung dem Nachlassgericht übergeben werden, weil nur ein eröffnetes Testament Gegenstand eines Erbscheinsantrags sein kann. Nach Eröffnung des Testaments unterrichet das Nachlassgericht die benannten Personen durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls und des Testaments. Neben der Bezugnahme auf das Testament muss der Antragsteller erklären, ob er Kenntnis von weiteren Testamenten hat. Zudem muss der Antrag Angaben zum Todeszeitpunkt, letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers und seiner Staatsangehörigkeit, zu einem möglicherweise anhängigen Rechtsstreit über das Erbrecht, zur Erbschaftsannahme und Größe des Erbteils enthalten. Ist ein vorberechtigter Erbe weggefallen (bspw. wegen Tod oder Ausschlagung der Erbschaft), hat der im Testament benannte antragstellende Ersatzerbe dies mitzuteilen.

 

Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, tritt gesetzliche Erbfolge ein, sodass der Antrag anstelle des Verweises auf das eröffnete Testament Angaben zum Verwandtenerbrecht des mit dem Erblasser verwandten Antragstellers machen muss (bspw. Abkömmling oder Eltern des Erblassers). Stellt der überlebende Ehegatte den Erbscheinsantrag, muss dieser Angaben zum Ehegattenerbrecht enthalten. Sind Verwandte oder Ehegatten (bspw. durch Ausschlagung, Vorversterben oder Scheidung), die das Erbrecht des antragstellenden Erben ausschließen oder beschränken würden, weggefallen, ist dies im Antrag darzulegen. Ansonsten hat der Erbscheinsantrag im Wesentlichen die gleichen Angaben zu enthalten, wie derjenige aufgrund testamentarischer Erbfolge.

 

Die Angaben des Antragstellers sind grundsätzlich durch öffentliche Urkunden (bspw. Sterbeurkunde des Erblassers, Geburtsurkunde des Erben oder Eheurkunde des Ehegatten) oder durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nachzuweisen. Diese Urkunden muss der Antragsteller zunächst von den örtlich zuständigen Standesämtern einholen (bspw. Standesämter des Geburts-, Heirats- und Sterbeortes), wenn er nicht über sie verfügt. Beruht das Verwandtenerbrecht bspw. auf einer Adoption oder Vaterschaftsanerkennung, ist der Adoptionsbeschluss bzw. die Vaterschaftsanerkennung vorzulegen. Soll der Wegfall von Erben nachgewiesen werden, die das Erbrecht des Erben ausschließen oder beschränken würden, sind die diesbezüglichen Urkunden vorzulegen (bspw. Ausschlagungserklärungen, Sterbeurkunden oder Scheidungsurteile).

 

Alle übrigen Angaben können nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen werden. Vielmehr muss der Antragsteller eidesstattlich durch eine Negativformel versichern, dass ihm nichts bekannt ist, was den Angaben entgegensteht: Kein anhängiger Rechtsstreit, keine Testament bei gesetzlicher Erbfolge, keine Erben, die das Erbrecht des Erben ausschließen oder beschränken würden, Annahme der Erbschaft durch den Antragsteller und beim Ehegattenerbrecht, dass der Erblasser in Zugewinngemeinschaft gelebt hat.

 

Sind die öffentlichen Urkunden nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu beschaffen (bspw. wegen Kriegshandlungen im Zweiten Weltkrieg), kann das Nachlassgericht ausnahmsweise andere Beweismittel akzeptieren (bspw. Privaturkunden, Kirchenbücher, eidesstattliche Versicherung usw.). In einfachen Fällen ist es auch möglich, die eigentlich erforderliche Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erlassen. Allerdings wird dies regional sehr unterschiedlich gehandhabt (bspw. in Baden-Württemberg häufiger, in Niedersachsen eher selten).

 

Erbscheinsverfahren

Stets ist der Antragsteller Muss-Beteiligter des Verfahrens. Kann-Beteiligte (bspw. gesetzliche Erben bei testamentarischer Erbfolge und weitere unmittelbar Betroffene) muss das Nachlassgericht vom Erbscheinsantrag benachrichtigen, sodass sie einen Antrag auf Hinzuziehung stellen können. Für diesen Fall hat das Nachlassgericht diese Personen zu beteiligen. Im Übrigen steht eine Beteiligung im Ermessen des Nachlassgericht.

 

Das Nachlassgericht hat von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung des Erbrechts anzustellen. Diese Amtsermittlungspflicht wird von der Mitwirkungspflicht der Beteiligten ergänzt und gleichzeitig beschränkt. Sie wird ergänzt, weil die Beteiligten das Nachlassgericht bei der Ermittlung des Erbrechts unterstützen sollen (bspw. Angaben von Zeugen oder Vorlage von Urkunden). Die Ermittlungspflicht wird aber auch beschränkt, weil das Nachlassgericht nur die erforderlichen Ermittlungen anstellen muss, die mit der Verletzung der Mitwirkungspflicht eines Beteiligten in Wechselwirkung stehen. Das bedeutet, dass ein Beteiligter, der über Beweismittel verfügt, diese aber zurückhält (bspw. Privatgutachten zur Eigenhändigkeit eines Testaments), nicht damit rechnen kann, dass das Nachlassgericht weiter ermittelt. Vielmehr kann es dann nach der sogenannten Feststellungslast entscheiden. Dies ist eine Entscheidung zulasten desjenigen, der die Nachteile aus der Nichterweislichkeit einer Tatsache tragen muss, mithin die Feststellungslast trägt. Geht es bpsw. um die Testierfähigkeit des Erblassers, trägt derjenige die Feststellungslast, der sich auf die Testierunfähigkeit und damit auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft. Im Erbscheinsverfahren existiert wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes keine (formelle) Beweislast, sondern nur die Feststellungslast.

 

Das Nachlassgericht kann sich für die Ermittlungen entweder dem Frei- oder Strengbeweisverfahren bedienen. Der Unterschied zwischen beiden Beweisverfahren besteht darin, dass das Nachlassgericht im Freibeweisverfahren formlos und ohne Rücksicht auf die Beteiligten Beweis erheben kann (bspw. durch ein bloßes Telefonat mit einer Auskunftsperson). Das Nachlassgericht muss den Freibeweis nur aktenkundig machen und den Beteiligten zur Stellungnahme zuleiten.

 

Im Strengbeweisverfahren hat das Nachlassgericht dagegen einen förmlichen Beweisbeschluss zu erlassen und Einschränkungen bei der Beweiserhebung sowie der Arten der Beweismittel nach der ZPO zu beachten. Zudem erhalten die Beteiligten weitergehende Rechte: Sie können bspw. bei einer förmlichen Zeugenvernehmung anwesend sein und haben ein eigenes Fragerecht. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts, welchem Beweisverfahren es sich bedient. Kommt es allerdings auf ein Beweismittel für die Entscheidung maßgeblich an, weil der Umstand substantiiert und erheblich von einem Beteiligten bestritten worden ist, muss das Nachlassgericht das Strengbeweisverfahren durchführen (bspw. wenn die Testierfähigkeit des Erblassers substantiiert von einem Beteiligten bestritten und deswegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich wird).

 

Vor einer endültigen Entscheidung über den Erbscheinsantrag muss das Nachlassgericht jedem, der unmittelbar von der Entscheidung betroffen ist, die Möglichkeit geben, Stellung zum Verfahren und den erhobenen Beweisen zu nehmen. Dies gebietet der verfassungsrechtliche Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der auch im Erbscheinsverfahren gilt.

 

Erteilung des Erbscheins

Das Nachlassgericht entscheidet bei Entscheidungsreife durch Beschluss.

 

Erachtet es das Erbrecht des Antragstellers als nachgewiesen und hat dem Antrag niemand widersprochen, ergeht ein Feststellungsbeschluss, der nicht bekannt gegeben wird. An die Stelle der Bekanntgabe rückt die Erteilung der Ausfertigung des Erbscheins durch Übersendung an den Antragsteller. Die Ausfertigung des Erbscheins ersetzt die Urschrift im Rechtsverkehr, weil die Urschrift des Erbscheins, der Feststellungsbeschluss, stets in der Nachlassakte verbleibt.

 

Hat ein Beteiligter der Erbscheinserteilung widersprochen, sieht das Nachlassgericht das Erbrecht des Antragstellers jedoch als erwiesen an, erlässt es einen Feststellungsbeschluss, der den Beteiligten durch Übersendung bekanntzugeben ist. Gleichzeitig wird die Wirksamkeit des Beschlusses bis zum Eintritt der Rechtskraft ausgesetzt. Rechtskraft tritt mit Ablauf der Beschwerdefrist ein. Nach Bekanntgabe hat der widersprechende Beteiligte die Möglichkeit, befristete Beschwerde innerhalb eines Monats beim Nachlassgericht einzulegen. Ist die Bekanntgabe des Beschlusses nicht möglich, gilt er fünf Monate nach Erlass als bekanntgegeben, sodass er spätestens nach sechs Monaten rechtskräftig ist. Versäumt der Beteiligte die Beschwerdefrist schuldlos, kann er zwar innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen. Ist der Erbschein dann bereits erteilt, wird dieser Antrag in einen Antrag auf Einziehung des Erbscheins umgedeutet, weil die Aushändigung des Erbscheins nicht mehr mit der Beschwerde rückgängig gemacht werden kann.

 

Leidet der Antrag an einem nicht behebbaren Mangel, weist das Nachlassgericht den Antrag zurück und gibt den Zurückweisungsbeschluss an den Antragsteller bekannt, sodass er die Möglichkeit hat, hiergegen innerhalb der Monatsfrist befristete Beschwerde beim Nachlassgericht einzulegen. Ist der Mangel dagegen behebbar, ergeht eine Zwischenverfügung, mit der das Nachlassgericht dem Antragsteller aufgibt, den Mangel zu beheben (bspw. Übersendung fehlender Personenstandsurkunden). Diese Zwischenverfügung ist auch selbständig mit der befristeten Beschwerde anfechtbar.

 

Kosten des Erbscheinsverfahrens

Für die Erteilung des Erbscheins fällt eine 1,0 Gerichtsgebühr aus dem Geschäftswert an. Der Geschäftswert ist der Wert des Nachlasses abzüglich der Schulden des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Erbfallschulden können nicht berücksichtigt werden. Eine weitere 1,0 Gebühr aus dem Geschäftswert wird für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung fällig. Diese kann der Antragsteller entweder beim Nachlassgericht oder einem Notar abgeben. Gibt er sie bei einem Notar ab, muss dieser 19% Umsatzsteuer erheben, sodass höhere Kosten entstehen. Allerdings fertigt der Notar auch den Erbscheinsantrag an, ohne hierfür weitere Gebühren zu verlangen. Weist das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurück, wird die 1,0 Gerichtsgebühr auf eine 0,5 Gerichtsgebühr, maximal auf eine Gebühr von EUR 400,00, reduziert. Wird der Erbscheinsantrag zurückgenommen, fällt eine 0,3 Gerichtgebühr, maximal eine Gebühr von EUR 200,00, an.

 

Hat der Antragsteller einen Rechtsanwalt zur Beantragung des Erbscheins beauftragt, erhält dieser eine 1,3 Verfahrensgebühr bzw. eine 0,8 Verfahrensgebühr, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit in der Stellung des Antrags oder der Entgegennahme des Erbscheins erschöpft. Allerdings begründet der Rechtsanwalt typischerweise den Erbscheinsantrag, sodass meist die höhere Verfahrensgebühr ausgelöst wird. Tritt das Nachlassgericht in die mündliche Verhandlung ein bzw. nimmt der Rechtsanwalt an einem Termin zur Beweisaufnahme teil, erhält er eine 1,2 Terminsgebühr. Ist der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit bereits vorgerichtlich für den Antragsteller tätig gewesen, wird die dadurch entstandene Geschäftsgebühr mit der Hälfte, höchsten mit 0,75 Gebühren, auf die Verfahrensgebühr des Erbscheinsverfahrens angerechnet. Der Gegenstandswert richtete sich aufgrund Verweisung auch nach dem Geschäftswert bzw. dem Wert der Erbquote des Miterben, wenn der Rechtsanwalt nur einen Miterben vertritt.

 

Die Frage, ob Miterben, die sich nicht an den Kosten des erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins beteiligen wollen, einer Erstattungspflicht gegenüber dem Miterben unterliegen, der das Erbscheinsverfahren als Kostenschuldner betrieben hat, ist nicht vollends geklärt. Zwar sollen die Erbscheinsverfahrenskosten nicht  als Nachlassverbindlichkeiten in ein Nachlassverzeichnis im Pflichtteilsrecht eingestellt werden können. Allerdings sagt dies nichts zu ihrer Erstattungspflicht innerhalb einer Erbengemeinschaft aus. Denn entscheidet die Mehrheit der Miterben, dass die Beantragung des Erbscheins als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung eingeleitet werden soll, bindet diese Entscheidung auch die überstimmten Miterben. Die Beantragung des Erbscheins ist jedenfalls dann eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sich im Nachlass Grundstücke befinden und die Erbfolge bspw. wegen der gesetzlichen Erbfolge ansonsten gegenüber dem Grundbuchamt nicht nachweisbar ist. Denn das Grundbuchamt verlangt die Vorlage eines Erbscheins oder einer beglaubigten Abschrift des öffentlichen Testaments nebst beglaubigter Abschrift des Eröffnungsprotokolls zum Nachweis der Erbenstellung. Hat der beantragende Miterbe keinen vorherigen Beschluss der Erbengemeinschaft eingeholt, kann sich eine Erstattungspflicht allenfalls aus der Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben.

 

Gerne unterstützt Sie Rechtsanwalt Arne Hartmann, wenn Sie Hilfe bei der Beantragung eines Erbscheins benötigen.